Nachdem die 1960er Jahre zwischen Planungseuphorie und Technikbegeisterung auf der einen und Zukunftsnöten und Restauration auf der anderen Seite in den Geschichtswissenschaften in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Betrachtung geraten sind, möchte der Workshop versuchen, auch für die Architekturgeschichte und benachbarte Disziplinen kritisch Bilanz zu ziehen und nach neuen Forschungsfeldern zu fragen. Der Workshop nimmt dabei aus einer fächerübergreifenden, zeithistorisch-fundierten Perspektive den Zeitraum 1945-75 – zwischen Sputnik und Ölkrise – in beiden konkurrierenden Systemblöcken des Kalten Krieges in den Blick und wird die Wechselwirkungen von Wissenschaft und Kunst diskutieren.

Das Versprechen auf Plan- und Berechenbarkeit von Zukunft avancierte in der Phase der Spätmoderne zu einer identitäts- und legitimationsstiftenden Kraft in nahezu allen gesellschaftlichen und kulturellen Bereichen. Insbesondere die Kybernetik als Wissenschaft von der Steuerung und Regulierung von komplexen Systemen repräsentierte und vermittelte zugleich diese optimistischen Verheißungen. Die Kybernetik verband neue wissenschaftlich-technische Methoden mit gesamtgesellschaftlichen Fragestellungen und beeinflusste direkt Theorie und Praxis von Architektur und Planung. Anknüpfend an Georg Vrachliotis‘ These der „geregelten Verhältnisse“ in der Architektur der Spätmoderne will der Workshop unter anderem diskutieren, welche Wechselwirkungen zwischen Natur-, Technik- und Geisteswissenschaften im Zeitalter von Technikbegeisterung und Planungseuphorie herrschten und wie sich diese konkret auf das Bauen, Planen und Gestalten in dieser Epoche ausgewirkt haben. Auf welche ideologischen Grundprämissen konnte sich das uneingeschränkte Fortschrittsdenken des Zeitalters zwischen Sputnik und Ölkrise stützen? Welche Akteure waren für die Propagierung und Verankerung von Wissenschaftlichkeit und Fortschritt in Politik, Gesellschaft und den Künsten zentral? Hatten die Versprechungen eines neuen Wissensregimes Folgen auf die Vorstellungen vom Beruf des Architekten und Gestalters? Welches Verhältnis herrschte zwischen staatlichen Ordnungsvorstellungen und architektonisch-städtischen Strukturbildungen? An welchen Zukunftsorten der utopischen Moderne kann man die ‚geregelten Verhältnisse‘ oder die ordnende Kraft der Verwissenschaftlichungstendenzen erkennen? Und schließlich: Was bleibt heute noch übrig von der Architektur und Planung der 1950er bis 1970er Jahre?

Diesen und anderen Fragen will der vom ZI München in Kooperation mit dem Institut für Kunstgeschichte der LMU München organisierte Workshop „Geregelte Verhältnisse? Architektur und Planung zwischen Sputnik und Ölkrise“ nachgehen. Expertinnen und Experten aus den Bereichen Kunst- und Architekturgeschichte, Amerikanistik, Zeitgeschichte und Designwissenschaft werden in Kurzvorträgen Stellung beziehen und ihre Thesen zur Diskussion stellen.

PROGRAMM

  • 13.15 Uhr: Begrüßung
  • 13.20 Uhr: Einführung
  • Oliver Sukrow (Zentralinstitut für Kunstgeschichte München/ Universität Heidelberg): Architektur und Planung zwischen Sputnik und Ölkrise
  • 13.30 Uhr
  • Sektion 1: Fortschrittserwartung und Steuerungseuphorie
  • Klaus Benesch (LMU München): „Does Technology Drive History?“ - McLuhan, Leo Marx und die materialistische Medientheorie der Spätmoderne
  • Elke Seefried (Institut für Zeitgeschichte München/ Universität Augsburg): Im Zeichen der Steuerungseuphorie? Zeithistorische Überlegungen zur Zukunftsforschung der 1950er bis 1970er Jahre
  • Kommentar: Helmuth Trischler (Deutsches Museum München)
  • 15.00 Uhr
  • Sektion 2: Staat, Architektur, Kybernetik
  • Philipp Meuser (Architekt DBA und Publizist, Berlin): Architekturtheorie als Regierungsangelegenheit. Grundlagen des sowjetischen Wohnungsbaus zwischen Sputnik und Ölkrise
  • Merle Ziegler (Humboldt Universität, Berlin): Kybernetisch regieren. Der Neubau des Bonner Bundeskanzleramtes
  • Kommentar: Wolf Tegethoff (Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München)
  • 16.15 Uhr: Pause
  • 16.45 Uhr
  • Sektion 3: Die Utopie des Designs
  • Rudolf Fischer (Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München): Behaglichkeit im Kalten Krieg. Wechselwirkungen im Wohndesign der frühen Bundesrepublik
  • Claudia Mareis (Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW, Basel): Von der Gestalt zur Methode: Zur Krise des Entwerfens in der Nachkriegszeit
  • Kommentar: Josef Straßer (Die Neue Sammlung München – The International Design Museum Munich)
  • 18.15 Uhr: Abendvortrag
  • Georg Vrachliotis (Karlsruher Institut für Technologie): Architektur und technologische Unruhe

Die Teilnahme ist kostenfrei. Anmeldung und weitere Informationen unter: o.sukrow[at]zikg.eu