Immer von Neuem muss der tief in die Gesellschaft und ihre Grundlagen hineinwirkende Anspruch des Bauhauses aus der oberflächlichen Adaption seiner Grundlehre, Produkte und Formen herausgearbeitet werden. Einhundert Jahre nach der Gründung des Bauhauses richtet die Tagung den Blick hierzu ganz auf dessen Einbindung in die sozial-, wirtschafts-, kultur- und bildungspolitische Umwälzung der Moderne.

Bis in die einzelnen Gestaltungsvorgaben prägte die Erwartung, der Gesellschaft gestaltend dienen zu dürfen, Lehre und Arbeit am Bauhaus. Diese demütige Selbstaufgabe, die von Studenten gelegentlich als „Gehirnwäsche“ erlebt und bezeichnet wurde, belohnte das Bauhaus mit einem besonderen ästhetischen und sozialen Genuss: dem gemeinsam erlebten Pathos der Nüchternheit. Den Bauhäuslern versprach man hierzu nicht mehr und nicht weniger als die Mitwirkung an der Herausbildung einer neuen Gesellschaft und des Neuen Menschen. 

Um die Dringlichkeit der Transformation von Mensch und Gesellschaft zu unterstreichen, wurde die Gesellschaft dabei als Notgesellschaft vorgestellt. Die Verknappung der Ressourcen begründete die Forderung nach Übertragung der Prinzipien der Ökonomie auf Gestaltung und Selbstdisziplin. Hierin begründeten sich etwa auch die Enthistorisierung und die Typisierung in der Lehre und Gestaltung am Bauhaus. Die Gewissheit, ganz einer absoluten und totalen Moderne zu dienen, prägte die avantgardistische Radikalität im gesamten ästhetischen und politischen Diskurs am und ums Bauhaus.

Unter dem Anspruch kultureller Nachhaltigkeit als Teil einer Bildung für nachhaltige Entwicklung lebt diese Forderung nach einer Ökonomisierung der Gestaltung aktuell wieder auf. Auch um die Intentionen solcher Forderungen und ihre Wirkung auf Gesellschaft, Politik und Kultur begreifen und einordnen zu können, hilft es nach hundert Jahren neu ernst zu nehmen, was schon das Bauhaus vor allen Dingen war: Teil einer tiefgreifenden politischen Operation an der Gesellschaft und jedem einzelnen Menschen. 
Im Spiegel der Bauhausdebatten bleiben auch Aporien der Politik greifbar, von denen noch heutige Kontroversen geprägt sind. Mitten im globalen Roll-Back unserer Tage begreift die Tagung das Ringen des Bauhauses um die Moderne als Menetekel des heutigen Ringens um Begründung und Zukunft von Politik und Gesellschaft.
Die Tagung richtet sich besonders an Kunstlehrerinnen und -lehrer, die ihr Unterrichtsfach in der aktuellen Diskussion um die gesellschaftliche und politische Verantwortung von Gestaltung und Bildung aus der Substanz des Faches heraus verorten.

PROGRAMM

Montag, 27. Mai 2019

15.00 – 15.15 Uhr Begrüßung:
Joachim Kießling, Vorsitzender des BDK- Landesverbandes und Dr. Florian Pfeil, Direktor des Weiterbildungszentrums Ingelheim

15.15 – 16.00 Uhr Einleitende Anmerkungen zum Thema:
Prof. Dr. Ulrich Heinen, Bergische Universität Wuppertal

16.30 – 18.30 Uhr Prof. em. Dr. Magdalena Droste, Brandenburgisch Technische Universität Cottbus-Senftenberg:
Bauhauspolitik ?

Dienstag, 28. Mai 2019

9.00 – 10.30 Uhr Prof. Dr. Eckhard Leuschner, Julius-Maximilians-Universität Würzburg: Oskar Schlemmers Menschenlehre und anthropologische Themen in der Kunst um 1930

11.00 – 12.30 Uhr Dr. Noemi Smolik, Universität zu Köln: 
Warum wollte niemand am Bauhaus mit dem Maler Malewitsch sprechen?

14.00 – 15.30 Uhr Prof. Dr. Christian Spies, Universität zu Köln: 
Werk und Ware. Zum Verhältnis von Kunst und Industrie am Bauhaus

15.30 – 17.00 Uhr Prof. Dipl.-Ing. Philipp Oswalt, Universität Kassel: 
Wie soll Gestaltung Gesellschaft verändern?

Mittwoch, 29. Mai 2019

9.00 – 10.30 Uhr Dr. Ursula Muscheler, Düsseldorf: 
Das rote Bauhaus

10.30 – 12.00 Uhr Dr.-Ing. Thomas Schriefers, Köln: 
Bauhaus Ost-West. Von politischem Propagandawert und wirtschaftli-chem Kalkül

12.00 – 12.30 Uhr Plenum und Perspektivdiskussion
Leitung: Prof. Dr. Ulrich Heinen, Bergische Universität Wuppertal

Teilnahmegebühr: EUR 105,00 mit Übernachtung im Doppelzimmer, EZ-Zuschlag EUR 30,00
EUR 55,00 ohne Übernachtung

Weiterführende Informationen und Anmedlung unter: https://www.wbz-ingelheim.de/fileadmin/user_upload/FNA/PDF/bauhauspolitik.pdf